Jeder Stadtteil hat seine eigene Geschichte – eine Geschichte, hinter der mehr steckt als nur die Einwohnerzahl und die Anzahl der dort ansässigen Unternehmen. Ein Ortsteil ist vor allem geprägt von den Menschen, die dort leben, den Ideen, die dort entstehen und der Natur, die dort gedeiht. Der Südpark in Obersendling nimmt dabei als Naherholungsgebiet und Landschaftsschutzgebiet eine besondere Rolle in der Quartiersentwicklung von Obersendling ein. Der Stadtwald könnte der passende Ort sein, um den herum zwar neue Unternehmen entstehen – Menschen und Natur jedoch weiterhin miteinander und nicht gegeneinander leben. Wie das geht, erzählte uns Lore Galitz, die Macherin der Naturkunst-Biennale SüdpART bei einem Spaziergang durch die grüne Lunge Obersendlings.
SüdpART ist ein nicht-kommerzielles und ökologisches Kunstprojekt im Südpark. Die vierzehn teilnehmenden Künstler arbeiten dabei ausschließlich mit gegebenen, natürlichen Ressourcen im und aus dem Grünen. Das Projekt soll an die Klimaveränderung erinnern, unter der auch der Münchner Südpark leidet. Damit sich der Wald auch zwischen den Ausstellungszeiten erholen kann, findet SüdpART nur alle zwei Jahre statt. In diesem Jahr sind die Kunstobjekte seit dem 1. Mai 2021 bis zum 17. Oktober 2021 für jedermann kostenlos zugänglich und offenbaren dem Betrachter Natureinblicke aus einem Blickwinkel, der nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
Wir sprachen mit der Naturkünstlerin über die heilsame Wirkung der Natur für uns gestresste Großstädter, über kleine Auszeiten für Körper und Geist im Arbeitsalltag und werfen einen Blick auf die Entwicklung von Obersendling aus der Perspektive einer, die das Viertel schon seit Jahren gut kennt.
SüdpART ist ja eine Naturkunst-Biennale. Was genau muss man sich als Laie unter diesem Leitkonzept vorstellen?
Lore Galitz: Der Name erklärt das Konzept: Im Münchner Südpark (Süd) besteht ein ökologisches Kunstprojekt (ART), welches unsere Teilnahme am Wald und seinem Schicksal unter den Klimaveränderungen ausdrückt (part). Die am SüdpART beteiligten Künstlerinnen und Künstler arbeiten ausschließlich mit natürlich vorkommenden Materialen, primär mit Totholz, heruntergefallenen Ästen, Zweigen und Zapfen – wir nehmen dem Wald also nichts weg, was er uns nicht von sich aus gibt. Außerdem weicht unser Projekt der Kommerzialisierung in gewisser Weise aus: Die Kunstwerke lassen sich in keine Galerie zwängen und sind vergänglich – beteiligte Künstler müssen also damit leben, dass ihr Projekt eventuell vorzeitig vom Regen, Sturm und Besuchern zerstört wird oder einfach langfristig zerfällt.
Mit der Natur arbeiten: Was war die Initialzündung für dieses besondere Kunstprojekt?
Lore Galitz: Die Idee des Projekts kam durch den Orkan Niklas am 31. März 2015 zustande, welcher deutschlandweit mit bis zu 192 Kilometer pro Stunde wütete, tausende von Bäumen entwurzelte und insgesamt zwei Millionen Festmeter Schadholz produzierte. Auch der Südpark war schlimm von den Auswirkungen des Sturms betroffen und glich nicht mehr dem Stadtwald, wie wir diesen vor 2015 kannten. So schrecklich die Umstände auch waren – ich versuchte etwas Positives aus der Situation zu machen und wollte dem Wald zeigen, dass er uns nicht egal ist. Das war der Geburtsmoment von SüdpART.
Wie kommt das Naturkunst-Projekt denn bei den Bewohnern aus Obersendling und der Umgebung an?
Lore Galitz: Ich bekomme grundsätzlich sehr positives Feedback und erfasse die Nachfrage beispielsweise an den Info-Prospekten, die häufig bereits nach wenigen Wochen nachgedruckt werden müssen. Außerdem ist SüdpART ja eine Ausstellung, die sich nicht nur für Kunstinteressierte eignet, sondern kann auch ein spannendes Familienerlebnis im Freien sein.
Wie erfreulich, dass der Wald auch in einer Metropole wie München wertgeschätzt wird. Dennoch würden wir gern wissen: Fehlt Ihrer Ansicht nach den Münchnern der Bezug zum Wald?
Lore Galitz: Meiner Auffassung nach hat man besonders im Lockdown gemerkt, wie sehr die Münchner ihre Grünflächen lieben. Familienväter sind mit ihren Kindern zum Spielen in den Wald gegangen, das Fitnessstudio wurde durch den Trimm-Dich-Pfad ersetzt, Baumstämme zu Hantelstangen improvisiert und zahlreiche Imbissbuden fanden ihren Platz an den Rändern der Waldwege. Obersendling ist mit dem Südpark als Teil des Stadtwaldes ein gesegnetes Viertel und hat relativ viele Grünflächen im Vergleich zum Rest der Stadt.
Neben Ihrer Tätigkeit als Künstlerin sind Sie ja auch als Ritualmeisterin tätig. Haben Sie kleine Rituale parat, die ein jeder von uns pflegen kann, um sich bewusst kleine Auszeiten in der Natur nach einem langen Arbeitstag im Office zu gönnen?
Lore Galitz: Hier sage ich an erster Stelle: Smartphone und Musikbeschallung am besten Zuhause lassen und die Natur ganz bewusst ohne mediale Ablenkung genießen! Ich setzte bei meinem Spaziergang außerdem gerne jeden Fuß bewusst von der Spitze bis zur Sohle auf und stelle mir vor, dass ich mich bei jedem Schritt neu mit dem Boden verbinde. So nimmt man auch die Bodenbeschaffung besser wahr. Meine Hand halte ich dabei am liebsten in einer ganz leichten Krümmung, da in der Hand ein wichtiger Qigong-Energiepunkt ist. Dadurch ist viel mehr Spannung in den Handflächen vorhanden, der Energiepunkt wird angeregt und man ist automatisch wacher und aufnahmefähiger.
Ein kleiner Exkurs für alle, die gerade am Schreibtisch und vor dem Bildschirm gefesselt sind:
Dass die Natur eine heilsame Wirkung hat, bestätigt die spannende Studie „Naturleben und Gesundheit“ zur Auswirkung von der Natur auf das menschliche Wohlbefinden unter besonderer Berücksichtigung von Waldlebensräumen. Von einem Spaziergang im Grünen profitiere demnach nicht nur die physische Gesundheit, sondern auch die psychische. Moderate Bewegung in Form eines Waldspaziergangs wirke sich dabei besonders förderlich auf das Herz-Kreislauf-System aus. Weitere positiven Effekte seien auch im Hinblick auf eine bessere Schlaf- und Erholungsqualität, Stressabbau sowie eine bessere Stimmungslage feststellbar. Wer also nach der Arbeit noch eine zusätzliche Runde im Wald dreht, fördert ganz nebenbei seine Gesundheit und kann auch am nächsten Tag wieder erholter am Arbeitsplatz durchstarten. Mehr dazu unter bundesforste.at.
Was sind die besonders schönen Momente in Ihrer Tätigkeit als Naturkünstlerin?
Lore Galitz: Besonders freut es mich, wenn SüdpART die Fantasie der Besucher anregt, auch in den anderen Bäumen und in der Natur das Schöne zu entdecken. Eine meiner Ausstellungen im Museum „Mensch und Natur“ hieß sogar die „Schönheit in Allem“ – einfach, weil ich selber auch in allem das Schöne suche und erkenne. Der Spruch von Christian Morgenstern fasst das so treffend zusammen: „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“ – und für das, was man liebt, setzt man sich ja bekanntlich ein! So ist es bei mir eben auch mit dem Wald.
Wir bedanken uns vielmals bei Lore Galitz für das aufschlussreiche Gespräch und die Inspiration für mehr Naturgenuss und Achtsamkeit im Alltag. Eines ist jedenfalls sicher: Wir nutzen den kommenden Sommer, um der Natur wieder näherzukommen – egal, ob nach einem stressigen Arbeitstag oder am wohlverdienten Wochenende. Ihr auch? Na dann entdeckt die Wunder von SüdpART in unmittelbarer Nähe zum SOuth HOrizon Munich am besten selbst!
Die Naturkunst-Biennale ist in nur elf Minuten mit dem Fahrrad oder neun Minuten mit dem Auto direkt vom SOHO aus erreichbar. Einem erholsamen, den Geist erfrischenden Waldspaziergang nach, vor oder während der Arbeit steht also nichts im Wege.
Für weitere Informationen, Führungen, Präsentationen oder Waldkontakt-Touren schaut am besten direkt auf der Homepage vorbei: www.südpart.de