Wir schreiben das Jahr 2026 in Obersendling, München. In der Koppstraße 4 ist nichts mehr zu sehen von der staubigen Baustelle, die noch vor fünf Jahren das Straßenbild prägte. Überhaupt lugen in dem Stadtteil im Münchner Süden nur noch vereinzelte Kräne zwischen den Häusern und Bäumen hervor. Statt Baumaschinen rollen E-Bikes über das Gelände des SOuth HOrizon Munich und statt Bauzaun-Blicken gibt es von der Dachterrasse aus eine atemberaubende Aussicht auf die Alpen.
Dass das SOHO Munich in fünf Jahren fertig sein wird, steht so fest wie das Amen in der Kirche. Doch wie sieht es mit dem Rest des Stadtteils aus? Obersendling zählt bereits heute zu den vielversprechendsten Gegenden im Münchner Süden – wie sich das auf das Stadtbild in fünf Jahren auswirkt, darüber haben wir mit den SOHO-Machern der Optima-Aegidius-Firmengruppe und der Hammer AG gesprochen.
Herr Hammer, Herr Dr. Ulf Laub und Herr Dr. Jens Laub, werfen wir einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht es in Obersendling in fünf Jahren aus?
Hans Hammer: Eines ist ganz sicher: München wächst zu einer der wichtigsten Metropolen in Europa und damit werden selbst die Stadtgebiete, die heute als „Randgebiete“ betrachtet werden, urbaner und kosmopolitischer. In Obersendling werden sich Wohn- und Gewerbequartiere in fünf Jahren so stark miteinander vermischt haben, wie wir es aktuell meist nur in den innerstädtischen Gebieten sehen.
Dr. Ulf Laub: Dem kann ich nur zustimmen. Sehen wir uns nur einmal an, wie stark der Innovationsstandort München aktuell wächst. Allein das Versprechen von Apple, einen Großteil seines milliardenschweren Investments in Deutschland in den Standort München fließen zu lassen, lässt erahnen, welche Bedeutung dieses Wachstum für die Stadt haben wird. Davon profitieren vor allem Viertel, die noch Entwicklungspotenzial haben.
Innovationsstandort München – wird das auch in Obersendling zu spüren sein?
Dr. Jens Laub: Es WIRD nicht nur zu spüren sein, sondern es IST schon zu spüren. Sieht man sich beispielsweise die Projekte an, die schon fertig sind – wie die Werkstadt Sendling gleich um die Ecke vom SOHO – kann man sich vorstellen, wie die Zukunft des ganzen Viertels aussieht. Auf dem Gelände der alten Tabakfabrik haben sich innovative Start-Ups, Digitalunternehmen und Mittelständler angesiedelt. Obersendling ist eines der größten Entwicklungsgebiete, in den nächsten Jahren entstehen hier mehr als 700.000 Quadratmeter Neubauvorhaben. Das völlig neu entstandene Gelände rund um den Ostbahnhof, das Werksviertel, das heute ein gelungenes Beispiel für Transformation ist, sieht dagegen fast klein aus.
Je mehr attraktiven Raum wir jetzt für die klugen Köpfe von morgen schaffen, umso mehr wird der Standort in ein paar Jahren davon profitieren. Jedes Trendviertel von heute war nicht von Anfang an beliebt, sondern befand sich einst in der Entwicklungsphase. Schauen wir uns also Obersendling in fünf Jahren an, dann werden wir noch mehr smarte Unternehmen vor Ort haben und dadurch natürlich auch mehr Zuzug von Fachkräften, jungen Familien und Gründern, die sich um ihren Arbeitsplatz herum ansiedeln, feststellen.
Arbeiten und Wohnen werden sich also weiterhin im Stadtgebiet abspielen und sich nicht – wie einige durch die Pandemie prognostizieren – räumlich mehr entzerren?
Hans Hammer: Absolut. Es wird sicherlich auch mehr Menschen geben, die in der Wahl des Wohnortes flexibler werden und wieder in ländlichere Gegenden ziehen wollen. Aber gerade München als attraktive, wachsende Metropole wird auch weiterhin Zuzug erleben.
Dr. Ulf Laub: 2020 sind mehr Menschen aus München wegzogen als neu hinzugezogen, aber auch ich bin davon überzeugt, dass sich das schnell wieder ändern wird. Die Demographie-Prognose der kommenden Jahrzehnte sagt für München weiterhin Wachstum voraus. Dann brauchen wir Viertel wie Obersendling, die Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen und mit denen die Stadt wachsen kann. Schon jetzt sehen wir, dass Obersendling zu den Bezirken gehört, die – gemessen an der Einwohnerzahl – überdurchschnittlich wachsen. Nachverdichtung ist auch hier ein großes Thema, denn das Potential ist allemal vorhanden.
Städtisches Leben – oder Urbanität – entsteht ja nicht nur dadurch, dass neuer Wohn- und Arbeitsraum geschaffen wird. Wie kann Obersendling so wachsen, dass die Menschen nicht nur hierher zum Arbeiten pendeln?
Dr. Jens Laub: Das passiert zum Teil von ganz allein, zum anderen Teil liegt das natürlich in der Verantwortung der Planer und der Stadt. Wir haben in Obersendling die ganz besondere Ausgangssituation, dass das Viertel schon immer durch eine eng verwobene Mischung aus Wohnen und Arbeiten verbunden war. Indem Siemens zu seiner Zeit Wohnraum für seine Angestellten geschaffen hat, entstand eine einzigartige Identität und Urbanität. Heute erleben wir im Prinzip eine umgekehrte Wiederholung der Geschichte. Es entstand zunächst vor allem neuer Wohnraum in Obersendling, jetzt kommen immer mehr Arbeitsplätze und Gewerberäume hinzu. Bis sich dann in wenigen Jahren – und die Ansätze sind ja jetzt bereits deutlich sichtbar – eine ganz eigene Urbanität mit ‚Obersendling-Identität‘ herauskristallisiert.
Dr. Ulf Laub: Zur Urbanität – oder einem städtischen Lebensgefühl – gehören nicht nur Raum zum Leben und Arbeiten, sondern ebenso Raum für Entfaltung, Kreativität und Begegnungen. Freizeit ist eine elementare Säule der Urbanität. Raum dafür zu schaffen, liegt in unserer aller Verantwortung. Gerade der Münchner Süden zeigt sich in dieser Hinsicht vorbildlich: Es gibt unfassbar viele Grünflächen, Zwischennutzungen, in denen sich Kreative ansiedeln, Orte wie das Gasteig Interimsquartier, die Begegnungen fördern. Auch die kleinen Unternehmen, Einzelhändler, Restaurants formen das Stadtteil-Gefühl mit. Sie schaffen mit frischen Ideen Orte, an denen sich die Menschen gern aufhalten.
Wie gestaltet das SOuth HOrizon Munich die Zukunft Obersendlings mit?
Hans Hammer: Indem wir einen Ort schaffen, an dem sich zukunftsorientierte, innovative Unternehmen ansiedeln können. Arbeitgeber, die mutige Menschen anziehen, die Lust auf Mitgestaltung haben und kreative Energie nach Obersendling bringen. Indem wir Büros bauen, die nicht nur Arbeitsplatz sind, sondern Raum für Begegnung und für Macher. Denn die Zukunft unserer Städte – und auch die Zukunft Obersendlings – hängt ab von Menschen, die Lust haben, die Zukunft mitzugestalten.
Dr. Jens. Laub: Deshalb müssen wir auch in erster Linie über die Menschen in Obersendling reden, nicht nur über ein Bauvorhaben. Wir müssen darüber reden, was die Menschen bewegt, sie zusammenbringt und wie die Orte aussehen müssen, damit sie dort leben und wirken können.